Archiv für den Monat: November 2016

Trump2: Die falsche Kandidatin

Wie konnte ein solches Debakel passieren? Da unterliegt mit Hillary Clinton die Kandidatin der ehrwürdigen Demokratischen Partei einem republikanischen Maulhelden! Kaum ein Kandidat der jüngeren US-Geschichte hatte bessere Startbedingungen als sie. Den Großteil der Presse auf ihrer Seite, darunter die mächtigsten Zeitungen. Doppelt so viel Geld für ihre Kampagne wie Donald Trump. 30 Jahre Erfahrung in politischen Spitzenämtern, lange als Außenministerin. Wichtige Republikaner, die gegen Trump und für sie sprachen. Und das vermeintliche Pfund, als erste Frau für die US-Präsidentschaft anzutreten. Und doch?
Weitsichtige hätten es ahnen können. Schon bei ihrer Niederlage gegen Barack Obama zeigten sich ihre Handicaps. Schon damals fehlte ihr jegliche Empathie, sie war chancenlos gegen Obamas Charisma. Schon damals stand sie auf den Bühnen wie eine Wachsfigur des Establishments, immer dieses eingefrorene, maskenhafte Lächeln, diese belehrende Attitüde. Wie wirklichkeitsfremd die Welt dieser Hillary offenbar ist, zeigt ein Schlaglicht: Der Schock traf sie offenbar so tief und unvorbereitet, dass es ihr an Größe fehlte, noch in der Wahlnacht vor ihren treuen Anhängern ihre Niederlage einzugestehen, wie es gemeinhin üblich ist. Und ihre Wahlstrategie scheiterte fulminant. Barack Obama wurde von mehr Frauen gewählt als sie. Und Barack Obama wurde von vielen Weißen gewählt, die jetzt ins Trump-Lager abdrifteten. Die weißen Arbeiter der Mittel-und Unterklasse wurden in Clintons Wahlkampagne sträflich vernachlässigt. Sie setzte auf Frauen und Minderheiten. Wohin der Hase laufen sollte, zeigt schon ein Wahlspot zu Beginn ihrer Kampagne: Er zeigt Frauen, Schwarze, Asiaten, Latinos und ein schwules Paar. Von weißen Industriearbeitern keine Spur.
Ich habe schon im Frühjahr geschrieben, Amerika habe die Wahl zwischen Pest (Trump) und Cholera (Clinton). Zwischen einem Großkotz und einer der unbeliebtesten Frauen Amerikas, der nach vielen dubiosen Affären (E-Mail) auch noch die Glaubwürdigkeit abhanden gekommen war. Die Lehre für uns: Angela Merkel muss aufpassen, dass sie nicht all jene Abgehängten, die sich in einer digitalisierten und globalisierten Welt nicht mehr zurechtfinden, verliert. Dass Wut und Lügen über die Tatsache siegen, dass es vielen von uns nicht schlecht geht. Einen Mangel teilt sie allerdings mit Hillary Clinton: Ihr fehlen Charisma und Empathie. Im Wahlkampf wird sie eine zündende Vision brauchen für unser Land, sonst könnte sie enden wie Hillary. Wenn sie denn überhaupt antritt…

Trump1: Die Irrtümer

Alle, die sich nun die Augen reiben angesichts des Erfolgs eines obszönen, rassistischen Donald Trump (Schock-Starre?), sollten bei Christian Morgenstern nachlesen, was der über Realitätsverlust schon wusste: „Nur ein Traum war sein Erlebnis, weil, so schließt er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“ Das gilt für Demoskopen, Experten und Eliten, die offenbar unter einer Käseglocke leben. Für sie alle waren die Trump-Wähler offenbar Verrückte, die ebenso wie der Kandidat in die Klapsmühle gehörten. All diese „gebildeten“ Besserwisser hatten schon beim Brexit ihr Waterloo erlebt. Bei dieser US-Denkzettel-Wahl hätten sie frühzeitig erkennen können, dass es den Trump-Wählern gar nicht darum ging, was auf dem Denkzettel steht, sondern nur darum, den Abgehobenen „da oben“ zu zeigen, was Wut bewirken kann. Wut über eine Politik, die nicht mehr erklärt, die ihre Handlungen als „alternativlos“ wie eine Monstranz vor sich her trägt, die nicht mehr zuhört. Eine solche Politik düngt den Nährboden dafür, dass (siehe Trump), sogar unsägliche Lügen geglaubt werden, dass demagogischer Populismus , Rassismus oder Sexismus Gehör finden. Wer jetzt „geschockt“ reagierte, sollte sich selbst fragen, wie es denn um seine Kenntnis steht um jene Schichten, aus denen Trumps Wähler kamen, um seine völlige Überschätzung einer Hillary Clinton, um seine Demoskopie-Gläubigkeit, um seine eigene Urteilsfähigkeit. Im Herbst 2017 sind Bundestagswahlen, ein Jahr noch. Und jeder von Deutschlands sogenannten politischen „Eliten“ sollte sich schleunigst fragen, ob ein solcher Schock wie in den USA auch sie treffen könnte. Auch hier finden jene rasanten Zulauf, die weder der sogenannten „Lügenpresse“ noch den Regierenden noch den wirklich guten Wirtschaftszahlen trauen. Die AFD-Vorsitzende Frauke Petry gratulierte den Amerikanern schon euphorisch, sie hätten mit Trumps Wahl „für den politischen Neuanfang und gegen Filz und Korruption“ gestimmt. Ihr Stellvertreter Jörg Meuthen sah eine „Zeitenwende“. Bayerns AFD-Chef Bystron glaubte gar, „Angst“ in den Augen Angela Merkels entdeckt zu haben, als sie sich zu Trumps Wahlsieg äußerte. Und auf AFD-Seiten im Internet flattert jetzt das Banner „“Make Germany Great Again!“ Demagogie und Populismus erheben in Europa (Frankreich, Österreich, Holland, Dänemark, Polen, Ungarn) schon seit längerem ihr Haupt. Und auch hierzulande finden sich offenbar immer mehr „Gläubige“, die Lügnern, Hasspredigern und Demagogen blind nachlaufen. Es ist an der Zeit, dass in Berlin und in den Bundesländern die Alarmglocken gehört werden. Sonst ist ein böses Erwachen garantiert und es werden neuen Schockstarre-Patienten zu besichtigen sein.