Archiv für den Monat: Mai 2017

Niederlage

Antoine de Saint-Exupéry sagt: „Die Niederlage kann sich als der einzige Weg zur Erneuerung erweisen – trotz ihrer Hässlichkeit.“ Dreimal hat die SPD und ihren Kanzlerkandidaten Martin Schulz nun nach Landtagswahlen im Saarland, in Schleswig-Holstein und in NRW je ein fulminanter „Leberhaken“ (seine eigenen Worte) erwischt. Aber was hat sich seine SPD wohl dabei gedacht, ihn das Desaster am NRW-Wahlabend so kommentieren zu lassen: Umringt von SPD-Vize Stegner, SPD-Vize Schäfer-Gümbel, Berlins SPD-Bürgermeister Müller und SPD-Generalsekretärin Barley, alle mit Mundwinkeln, die ein umgedrehtes U formten. Es war ein Bild des Jammers. Eine solche Trauer-Kulisse hatte nicht mal Martin Schulz verdient, den die Medien vor wenigen Wochen noch als „Heiligen von Würselen“, als „Gottkanzler“ oder als Sonnen-umstrahlten Sankt Martin (der „SPIEGEL“) feierten.
Was lehrt der jüngste Infarkt in der Herzkammer der SPD?
1. Dass Schulz seine hohle Phrase von der „sozialen Gerechtigkeit“ dringend mit Fakten und Vorschlägen unterfüttern muss. Wenn er nicht schleunigst Belege für eine massenhafte Ungerechtigkeit in einem Lande vorlegt, in dem sich offenbar die meisten Deutschen sehr wohl fühlen, wird er es sehr schwer haben.
2. Er braucht dringend namhafte Mitstreiter an seiner Seite, nicht Leute, die sich wegducken wie Gabriel, Zypris oder Manuela Schwesig oder solche Figuren des Untergangs wie die Ex-SPD-Regierungschefs Albig (Schleswig-Holstein) und Hannelore Kraft (NRW), die sich nach verlorenem Spiel schmählich von dannen machen.
3. Er muss sich entscheiden, ob er wie an der Saar nach wie vor auch im Bund von einem rot-rot-grünen Bündnis träumen oder den Kampf um die Mitte der Gesellschaft aufnehmen will, wo Wahlen gewonnen werden, wie Gerhard Schröder wusste und Angela Merkel weiß.
4. Er muss Bescheidenheit zeigen und dazu beitragen, dass Leute wieder eingefangen werden, die sich an Schulz-Hype, Schulz-Zug und Schulz-Götterdämmerung besoffen trinken. Wer Ballons zu stark aufbläst, muss wissen, dass sie am Ende platzen.
5. Er muss der Weltpolitikerin Angela Merkel eine tragfähige außenpolitische Agenda entgegensetzen.
6. Er braucht eine überzeugende Kabinetts-Liste, und er sollte seine Kandidaten nicht zu spät vorstellen.
7. Er sollte ein gutes Verhältnis zu einer immer mehr erstarkenden FDP herstellen; er könnte sie im Bund als Partner brauchen, wenn die Liberalen nicht wie einst Westerwelle wieder übermütig werden. Aber wenn ihr neuer Frontmann Christian Lindner ruhig und besonnen weiter arbeitet wie bisher sollte die FDP wieder als Bereicherung in den Bundestag einziehen.
8. Er muss wie auch andere scharf gegen die unsäglichen Populisten der AFD kämpfen, die auch am Fleisch seiner SPD nagen.
9. Er sollte darauf achten, dass es ein fairer Wahlkampf wird, ohne Fake-News und Schläge unter die Gürtellinie /was auch für alle anderen Parteien gilt.
10. Und er sollte nicht vergessen, immer wieder anzuerkennen, was so viele seiner Landsleute an ehrenamtlichem Einsatz für diesen Staat leisten, bei der Integration der zahllosen Flüchtlinge, in Schulen, Vereinen, Tafeln oder kirchlichen Einrichtungen.
Wenn er sich so neu erfindet könnte Saint-Exupéry recht behalten, dass in der Niederlage der Weg zum Sieg beschrieben ist.

Lokführer ohne Dampf

Oscar Wilde schrieb einmal: „Es gibt die Gerechten und die Ungerechten. Die Einteilung wird von den Gerechten vorgenommen.“ Seit seiner 100-Prozent-Wahl zum SPD-Chef zieht Kanzlerkandidat Martin Schulz mit dem Slogan, er werde „soziale Gerechtigkeit“ schaffen, durchs Land. Und er bestimmt, was gerecht zu sein hat. Nur: Bisher hat er, außer dass er das Land, dem es in Europa am besten geht, nur schlecht redet, nichts getan, um seinen Gerechtigkeitsballon mit Luft zu erfüllen. Im Gegenteil: Seit bekannt wurde, dass er als europäischer Parlaments-Chefs seinen Mitarbeiter Markus Engels auf Dauer-Dienstreise nach Berlin schickte, obwohl der sowieso dort lebte (Kosten: 40000 Euro jährlich) und auch anderen Mitarbeitern fragwürdige Zahlungen zukommen ließ, passt nichts mehr zu dem Mann, der Gerechtigkeit Ions Zentrum seines Wahlkampfs gestellt hat.
Es ist nur Wochen her, da hallten „Martin, Martin“-Rufe bis in den hintersten Winkel des Landes. Da wurde er gefeiert als „Heiliger von Würselen“, der wie Jesus übers Wasser gehen kann, als Gottkanzler, als Arbeiterkaiser, als unbesiegbar. Es gab ein „Schulzunser“ zum Nachbeten, den „Schulzzug“ zum Mitsingen, die sozialen Netzwerke überschlugen sich. Und nun? Erst die Wahl-Klatsche im Saarland, am Sonntag die Klatsche in Schleswig-Holstein, wo ein CDU-Nobody die SPD-geführte Regierung hinwegfegte. Erstmals während Angela Merkels Kanzlerschaft stürzte ein CDU-Mann einen SPD-Regierungschef aus der Opposition heraus. Und in beiden Wahlkämpfen, an der Saar und im hohen Norden, war Schulz flächendeckend aufgetreten.
Nein, es ist zu früh für einen finalen Schulz-Abgesang. Aber sollte die SPD kommende Woche auch in ihrer „Herzkammer“ NRW scheitern, und sollte Martin Schulz sein angebliches Gerechtigkeits-Programm nicht endlich mit Vorschlägen, mit Leben füllen, dann wird er das bleiben, was die Euphoriker in der SPD immer noch nicht wahrhaben wollen: Ein Lokführer ohne Dampf.