Lokführer ohne Dampf

Oscar Wilde schrieb einmal: „Es gibt die Gerechten und die Ungerechten. Die Einteilung wird von den Gerechten vorgenommen.“ Seit seiner 100-Prozent-Wahl zum SPD-Chef zieht Kanzlerkandidat Martin Schulz mit dem Slogan, er werde „soziale Gerechtigkeit“ schaffen, durchs Land. Und er bestimmt, was gerecht zu sein hat. Nur: Bisher hat er, außer dass er das Land, dem es in Europa am besten geht, nur schlecht redet, nichts getan, um seinen Gerechtigkeitsballon mit Luft zu erfüllen. Im Gegenteil: Seit bekannt wurde, dass er als europäischer Parlaments-Chefs seinen Mitarbeiter Markus Engels auf Dauer-Dienstreise nach Berlin schickte, obwohl der sowieso dort lebte (Kosten: 40000 Euro jährlich) und auch anderen Mitarbeitern fragwürdige Zahlungen zukommen ließ, passt nichts mehr zu dem Mann, der Gerechtigkeit Ions Zentrum seines Wahlkampfs gestellt hat.
Es ist nur Wochen her, da hallten „Martin, Martin“-Rufe bis in den hintersten Winkel des Landes. Da wurde er gefeiert als „Heiliger von Würselen“, der wie Jesus übers Wasser gehen kann, als Gottkanzler, als Arbeiterkaiser, als unbesiegbar. Es gab ein „Schulzunser“ zum Nachbeten, den „Schulzzug“ zum Mitsingen, die sozialen Netzwerke überschlugen sich. Und nun? Erst die Wahl-Klatsche im Saarland, am Sonntag die Klatsche in Schleswig-Holstein, wo ein CDU-Nobody die SPD-geführte Regierung hinwegfegte. Erstmals während Angela Merkels Kanzlerschaft stürzte ein CDU-Mann einen SPD-Regierungschef aus der Opposition heraus. Und in beiden Wahlkämpfen, an der Saar und im hohen Norden, war Schulz flächendeckend aufgetreten.
Nein, es ist zu früh für einen finalen Schulz-Abgesang. Aber sollte die SPD kommende Woche auch in ihrer „Herzkammer“ NRW scheitern, und sollte Martin Schulz sein angebliches Gerechtigkeits-Programm nicht endlich mit Vorschlägen, mit Leben füllen, dann wird er das bleiben, was die Euphoriker in der SPD immer noch nicht wahrhaben wollen: Ein Lokführer ohne Dampf.

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