Archiv für den Tag: 10. Januar 2016

Dumpfbacken und die Neuauflage von „Mein Kampf“

Am 18.2.1939 wurde „dem jungvermählten Paare mit den besten Wünschen für eine glückliche und gesegnete Ehe“ ein Hochzeitsgeschenk zuteil. Im schwarzen Schuber mit Goldaufdruck auf dem Buchrücken: „Adolf Hitler. Mein Kampf“. Meinen Eltern überreicht vom Bürgermeister der Gemeinde Jade (das liegt in der Wesermarsch). Handschriftlich unterzeichnet: „Freels“.

Weniger Monate später durfte mein Vater, ein Bauernsohn, der sein Abitur am Gymnasium Brake bestanden hatte, mitkämpfen. Als Soldat in der Wehrmacht des Mannes, dessen unsägliche Hetzschrift ihm zur Hochzeit überreicht worden war. Er kam 1948 aus der Kriegsgefangenschaft zurück, wurde später Realschul-Rektor. Wie Helmut Schmidt sprach er später nur noch von „Adolf Nazi“. Ich bin sicher, er, der als Lehrer vor allem Deutsch und Geschichte unterrichtete, hätte es begrüßt, dass jetzt eine wissenschaftlich kommentierte Ausgabe des Hitlerschen Gift-Cocktails wieder zu kaufen ist. Damit die grausige Nazi-Vergangenheit nicht ganz ins Vergessen gerät, ist es wichtig, jungen Menschen schon in der Schule zu vermitteln, welcher Rassenhass, welche Borniertheit, welche Anmaßung aus jeder Zeile dieses abscheulichen quillt, von dem sich einst Millionen verführen ließen.

Es ist eine Schande, dass wir heute bei Pegida-Demonstrationen, NPD-Aufmärschen und inzwischen auch bei manchen AfD-Führungsleuten Dinge fast wörtlich wieder so hören, wie wir sie auch in Hitlers Nazi-Buch finden. Der Pegida-Slogan „Lügenpresse“? Wo hören wir den? Natürlich bei Goebbels, Hitlers teuflischem Sprachrohr zum Beispiel.

Den hirnrissigen und verbohrten Mitläufern der neuen deutschen neofaschistischen Rechten mag in ihrer Dumpfheit nicht mehr zu helfen sein. Aber je mehr jungen Menschen vermittelt wird, welche abstruse Ideologie in die Katastrophe des „tausendjährigen Reiches“ führte, desto besser. Es steht doch alles schon drin in Hitlers „Mein Kampf“, was später im Holocaust mündete.

Denn dort heißt es etwa in brutaler Klarheit: „So ist der Jude der gr0ße Hetzer zur restlosen Zerstörung Deutschlans. Wo immer wir in der Welt Angriffe gegen Deutschland lesen, sind Juden ihre Fabrikanten. Werden unser Volk und unser Staat das Opfer dieser blut-und geldgierigen jüdischen Völkertyrannen, so sinkt die ganze Erde in die Umstrickung dieses Polypen; befreit sich Deutschland aus dieser Umklammerung, so darf diese größte Völkergefahr für die gesamte Welt als gebrochen gelten.“ (Seiten 702 folgende). Oder: „Der Jude zerstört die rassischen Grundlagen uunseres Daseins und vernichtet dadurch unser Volk für immer.“

Solche Infamie müsste man eigentlich nicht mehr kommentieren. Aber um sie Schülern und Jugendlichen in ihrer ganzen Menschenfeindlichkeit bloßzustellen, sollte die wissenschaftliche Begleitung helfen. Damit sie nicht später auch zu hirnlosen Dumpfbacken heranwachsen. Davon haben wir wahrlich schon genug!